Englischstunde zum Mitmachen

Storyteller Jim Wingate zu Besuch
Storyteller Jim Wingate zu Besuch

Sein Besuch am Donau-Gymnasium ist inzwischen eine liebgewordene Tradition: Der Geschichtenerzähler Jim Wingate ist fester Bestandteil des Repertoires, das unseren Schülern jedes Jahr zusätzlich zum üblichen Englischunterricht geboten wird. Am 29. Januar war Jim wieder bei uns zu Gast und hat die Schüler der 6., 7. und 8. Jahrgangsstufe gleichermaßen begeistert.

Hello, I’m Jim – What’s your name? So begrüßt Jim Wingate zu Beginn seiner Erzählstunde jeden einzelnen Schüler und gibt ihm die Hand. So gelingt es ihm, den Kindern die Scheu vor dem native speaker zu nehmen – schließlich lernt man schon an der Grundschule, wie man sich auf Englisch vorstellt. Die meisten unserer Schüler kennen Jim schon aus dem Vorjahr und schätzen seine humorvolle, überaus lebhafte Art, traditionell überlieferte Geschichten mit ausdrucksvoller Mimik, Geräuschen und vollem Körpereinsatz zu vermitteln. Das Wort „erzählen“ reicht nicht aus, um das zu beschreiben, was sich vor den staunenden Kindern abspielt. Es ist eher eine Live-Performance, bei der Wingate verschiedene Rollen gleichzeitig übernimmt, die Kinder zum Mitspielen auffordert, an der Hand packt und mit ins Geschehen hineinzieht. „Mach mit!“ ruft er seinem jungen Publikum zu, und dieser Aufforderung folgen sie nur allzu gerne. Schließlich dürfen sie in die Rollen von schönen Prinzessinnen, strengen Vätern und jungen Verehrern schlüpfen, die trotz sparsamer Requisiten die Zuhörer überzeugen.

Am Ende der Geschichten steht meist eine Moral: Niemand will nur wegen seiner schönen Kleider auf ein Fest eingeladen werden, man möchte schließlich wegen seines edlen Charakters geschätzt werden, vor allem, wenn man nur ein armer Schuhmacher ist. Es zeigt sich bei den Geschichten aber auch, dass die vielgepriesene Tugend Fleiß sich für Mädchen nicht immer auszahlt: Wer zuviel näht, bekommt eine Nase dick wie ein Fußball, wer zu viel spinnt, bekommt Wurstfinger, wer zu viel auf dem Feld arbeitet, hat am Ende krumme Beine. Da ist es dem Prinzen auf Brautschau schon lieber, wenn das hübsche Mädchen, das er auserkoren hat, weiterhin faul bleibt, um sich ihre Schönheit zu bewahren. Aha! Es ist also intelligenter, sich nicht abzurackern, sondern darauf zu achten, dass es einem selbst gut geht. Auf die Moderne übertragen: Die Work-Life Balance muss stimmen. Vielleicht nicht nur, um unbedingt einen Mann abzubekommen!

Am Schluss durften die Schüler persönliche Fragen stellen. Dabei kam heraus, dass Jim eigentlich Schotte ist und schon lange in Wales lebt, aber nur wenig Walisisch kann. Seine Frau Jen dagegen spricht Walisisch fließend. Er bezeichnet sich selbst als „half Scottish, half Welsh“.

Bleibt noch anzumerken, dass Jim Wingate nicht nur ein talentierter Storyteller ist, er veranstaltet Lehrerfortbildungen, Theaterworkshops, ist Shakespeare-Experte, Schauspieler und Autor. (Sein letztes Buch heißt „The Dragon Wakes“ und handelt von einer Krise in einem walisischen Dorf, in dem ein Pub eine wichtige Rolle spielt.) Wingates Liebe zum Erzählen und zum Schauspielern kann man als Zuhörer deutlich spüren. Beim Hinausgehen rief ihm ein Siebtklässler zu: „Thank you, it was very nice.“ Ein schönes Kompliment.

Inge Kronfeldner