Oberstufentheater

VERHAFTET: „DER PROZESS“ VON FRANZ KAFKA

Josef K. schläft friedlich in seinem Bett, Violinen spielen eine sehnsuchtsvolle, ruhige Melodie. K. liegt entspannt da und träumt. Doch er beginnt sich zu regen, wird unruhiger im Schlaf. Die Musik wird zugleich lauter, die Töne schiefer, während dunkle Gestalten mit weißen Masken um ihn herum tanzen. K windet sich nun in seinem Bett, schwitzt und schlägt um sich. Als die Musik ihren hitzigen Höhepunkt erreicht, schreckt er schweißgebadet aus seinem Albtraum auf und blickt in die aufmerksamen Augen des Publikums.

Die Turnhalle des Donau-Gymnasiums Kelheim ist an den Abenden des 29. und 30. März gut besucht. Die Stühle sind bis in die hinteren Reihen besetzt; Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler, Eltern, aber auch jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer sind gekommen, um gespannt die diesjährige Darbietung des Oberstufentheaters „Franz Kafka: Der Prozess“ mitzuverfolgen.

Das Stück handelt vom Protagonisten Josef K. (gespielt von Leon Dreshaj, Q11 und Tim Petermichl, Q12), der aus jenem Albtraum erwacht, jedoch bald feststellen muss, dass das Geträumte zur Realität wird. Denn die dunklen Gestalten folgen ihm von nun an auf Schritt und Tritt. K. erfährt so von seiner Verhaftung, der Grund dafür wird ihm nicht gesagt. Jeder, der ihm zukünftig begegnet, könnte Teil eines allgegenwärtigen, allmächtigen Gerichts sein. Aber was ist das Gericht? Und welcher Prozess wird geführt?

In seiner Verzweiflung sucht K. nach Antworten, nicht zuletzt bei den Wächterinnen (gespielt von Amelie Creutzenberg, Q11 und Zhanna Schreibauer, Q12), die sich weigern, ihn über sein angebliches Vergehen aufzuklären. Und auch nicht die Advokatin (Melanie Seitz, Q12), der Pfarrer (Michael Zenger, Q11) oder seine Arbeitskollegen können ihm weiterhelfen. Wem kann er in dieser Situation überhaupt noch trauen? K. wird zwar nicht eingesperrt, darf sich frei bewegen und seinem alltäglichen Leben nachgehen, doch der Gedanke, aus reiner Willkür verhaftet zu sein, zermürbt ihn Tag und Nacht!

Während dieser zweistündigen Theateraufführung genießen die Schauspielerinnen und Schauspieler die volle Aufmerksamkeit des Publikums, das nicht weniger verwirrt über die fiktive Justiz des Theaterstücks und die Verhaftung des Protagonisten ist als er selbst. Sogar als er ein Jahr später erneut aus demselben Traum hochschreckt und die Scheinwerfer zur Schlussszene erlöschen, erfährt man als Zuschauer nicht, was mit Josef K. und seinem Prozess geschehen ist – ist er immer noch verzweifelt darin gefangen, handelt es sich um einen Irrtum, oder hat er schließlich alles nur geträumt?

Der folgende Applaus ist riesig. Er ist Ausdruck der Begeisterung des Publikums vom Talent der jungen Schauspieler/-innen sowie der „Regisseure“ Ulrike Eckert und Tobias Marzahn, die das Stück so großartig auf die Bühne gebracht haben. Der Beifall richtet sich aber auch an alle Helferinnen und Helfer von Licht- und Tontechnik, Bühnenbild, Orchester, Hausmeisterteam und SMV, die zum Gelingen dieser schönen Theaterabende beigetragen haben.

Helena Hower, 10 d