Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg

Vortrag von Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, IOS Regensburg

Seit Beginn des Schuljahres 2024/25 hat das Donau-Gymnasium Kelheim eine von Herrn Urbansky organisierte Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg. Nachdem die Q12 bereits zweimal in den Genuss spannender Vorträge kam, einmal am 06.12.2024 zum Thema „Nation und Nationalismus – Über den Tellerrand geblickt“ und einen zweiten, eher politisch orientierten am 13.02.2025 zum Thema „Drei Jahre Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine“, hatte am 07.05.2025 auch die 11. Jahrgangsstufe die Gelegenheit, sich anlässlich des 80. Jahrestags zum Ende des Zweiten Weltkriegs über neue historische Fakten zu informieren. Zum Thema „Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg“ berichtete Prof. Dr. Ulf Brunnbauer spannende Fakten, die durchaus an den Unterrichtsstoff der Schülerinnen und Schüler anknüpften.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren Millionen Menschen in Europa auf der Flucht. Besonders betroffen waren die deutschen Minderheiten in Ost- und Südosteuropa, die in jahrhundertelangen Siedlungswellen – etwa im Hochmittelalter oder durch sogenannte Schwabenzüge – in diese Regionen gelangt waren. Auch Einladungen durch verschiedene Herrscher führten zur Ansiedlung deutscher Bevölkerungsgruppen. Die Interaktion mit der lokalen Bevölkerung verlief friedlich – bis der Zweite Weltkrieg das Miteinander zerstörte.

In den letzten Kriegsmonaten flohen viele Deutsche, vor allem Frauen und Kinder, vor der heranrückenden Roten Armee. Die Angst vor Vergeltung und Rache für die Verbrechen der Wehrmacht war groß. Nach dem Kriegsende kam es zu massenhaften sogenannten „wilden“ Vertreibungen durch die zivile Bevölkerung in einzelnen Dörfern und Orten, bevor im Sommer 1945 auf der Potsdamer Konferenz eine „geregelte Umsiedlung“ beschlossen wurde. Insgesamt mussten etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen, etwa 500.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Enteignung, Verlust der Staatsbürgerschaft und teils brutale Transporte prägten die Betroffenen. In unserer unmittelbaren Nähe wurden besonders die Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei Opfer der Vertreibungen. Von deren ehemaligen Dörfern zeugen heute oft nur noch Ruinen im Wald, da nicht nur die Bewohner vertrieben, sondern auch ganze Dörfer dem Erdboden gleich gemacht wurden.

Die Ursachen dieser Vertreibungen lagen vor allem in der nationalsozialistischen Besatzungspolitik und den damit verbundenen Kriegsverbrechen. Durch die Vertreibung sollte zudem eine nationale Homogenität erreicht und Minderheitenkonflikte vermieden werden. Eine individuelle Schuld spielte dabei kaum eine Rolle – betroffen waren alle Deutschen, unabhängig von ihrer politischen Haltung, ihren Taten, oder Meinungen.

In Deutschland, insbesondere in Bayern, wurden die Vertriebenen aufgenommen. In kurzer Zeit stieg dort der Anteil der Bevölkerung durch die Flüchtlinge um mehr als ein Viertel. Neue Orte wie Waldkraiburg oder Geretsried wurden speziell für ihre Unterbringung gegründet. Die Integration verlief jedoch nicht ohne Spannungen: Dialekte, unterschiedliche Konfessionen und kulturelle Unterschiede führten trotz gemeinsamer Sprache zu Fremdheitserfahrungen. Häufig mussten Flüchtlinge in Schulen oder Notunterkünften wie ehemaligen Konzentrationslagern leben. In diesem Zusammenhang zeigte der Referent Ausschnitte aus Zeitzeugen-Interviews, welche in der Mediathek des Hauses der bayerischen Geschichte in Regensburg jederzeit online abgerufen werden können, wie zum Beispiel zu den Anfängen der Kurt Merker GmbH in Kelheim.

Das Fazit zeigt: Obwohl die Flucht und Vertreibung deutscher Bevölkerungsteile heute oft in Vergessenheit geraten sind, zeigen ihre individuellen Geschichten, dass Migration kein neues Phänomen ist. Vielmehr ist sie tief in der europäischen Geschichte verankert – und ihre Folgen reichen bis in die Gegenwart. Und Professor Brunnbauer spannte den Bogen noch weiter: von den „versunkenen Dörfern“ im Böhmerwald über Flucht und Vertreibung im Kosovo 1999 zur Kinderdeportation durch den russischen Staat aus der Ukraine und der Situation in Gaza. Aktuell ist die Zahl der Menschen, welche durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten, auf einem neuen Rekordwert angelangt.

(Text: Hannah Mehringer, Stefan Urbansky; Foto: Stefan Urbansky)

„Landtruck“ in Kelheim

Ilse Aigner on Tour – der „Landtruck“ des bayerischen Landtags in Kelheim

Politische Bildung ist ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans am Donau-Gymnasium. Jedoch führen indirekte und theoretische Auseinandersetzungen mit den demokratischen Organen Deutschlands oft weder zu großer Begeisterung noch Verständnis. Aus eben diesem Grund ist der bayerische „Landtruck“ auch dieses Jahr wieder auf Tour gegangen. Der „Landtruck“ ist ein Projekt des Bayerischen Landtages, welcher den Austausch zwischen Bürgerschaft und Abgeordneten stärken soll. Leicht erkennbar an seinem markanten Design fährt der Truck durch verschiedene bayerische Städte und bietet interaktive Programme sowie politische Informationen. Am 23. Mai traf der Truck auch auf dem Kelheimer Stadtplatz vor dem Rathaus ein. Natürlich gab es ein paar Broschüren, einige Geschenke für Schülerinnen und Schüler (z. B. ein Lebkuchenherz) sowie ein kleines Quiz über den Landtag selbst. Doch das eigentliche Highlight des Tages startete um 11 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler der 12. bzw. 10. Jahrgangsstufe des Donau-Gymnasiums sowie einige Schülerinnen und Schüler der Berufsschule Kelheim hatten die Gelegenheit, einer Diskussion der Landtagsabgeordneten nicht nur beizuwohnen, sondern diese auch aktiv mitzugestalten. Geleitet wurde die Diskussion von Landtagspräsidentin Ilse Aigner; als Teilnehmerinnen und Teilnehmer traten Abgeordnete aus der Region und der jeweiligen Fraktionen des Landtags auf; für die CSU Petra Therese Högl, für die Freien Wähler Tobias Beck, für die AFD Oskar Atzinger, für die Grünen Mia Goller und für die SPD Nicole Bäumler. Die Fragen und Themen waren breit gefächert, doch eine klare Richtung kristallisierte sich dennoch heraus. Die Schülerinnen und Schüler waren sehr interessiert, wie die aktuelle Politik sich um die Belange der jüngeren Generationen kümmert und wie diese für die Zukunft gewappnet ist. Besonders spannend war hierbei die Diskussion um die Frage einer Schülerin bezüglich der Zukunft des Pflegeberufs in Deutschland. Die meisten Vorschläge schienen auf eine Verbesserung der Attraktivität des Pflegeberufes hinauszulaufen, variierten aber auch klar voneinander. Beispielsweise zielten Frau Bäumlers Vorschläge auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine verstärkte Berufsorientierung in den Schulen ab, während Herr Atzinger die Lösung bei der Einführung eines drei-monatigen Ersatzdienstes sah. Trotz eines oft sachlichen Diskurses konnte – in Anbetracht des kurz zuvor veröffentlichten Gutachtens des Verfassungsschutzes – eine gewisse Animosität bzw. kritische Einstellung gegenüber Oskar Atzinger von der AFD gespürt werden, sowohl von den anwesenden Politikern als auch von einigen Schülerinnen und Schülern selbst. Diese Einstellung hemmte allerdings nicht die Fähigkeit der Schülerinnen und Schülern, allen Politikern höchst komplexe und schwierige Fragen zu stellen, welche aufschlussreiche Antworten hervorbrachten und ebenfalls die sich anschließende Diskussion inspirierten. Abschließend lässt sich sagen, dass der Landtruck aufgrund des Austausches zwischen Abgeordneten und Publikum eine wertvolle Erfahrung war, und auch die politische Auseinandersetzung innerhalb der Schülerschaft selbst förderte.

(James Niewiem, Franziska Weigl, Stefan Urbansky)

(Fotos: S. Urbansky)

Vortrag des IOS vor der 12. Jahrgangsstufe

Drei Jahre Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine

Am 24. Februar 2025 jährte sich zum dritten Mal der Überfall Russlands auf das Nachbarland Ukraine. Für die kriegsgebeutelte ukrainische Bevölkerung eine besonders schwierige Zeit, das Kriegsende nicht absehbar, der Kriegsausgang ungewiss. Trotz des entfernten Kriegsschauplatzes bekam auch die deutsche Bevölkerung die Auswirkungen zu spüren, zum Beispiel in Form der gestiegenen Energiepreise und der Inflation, der Zunahme ukrainischer Geflüchteter, vor allem Frauen und Kinder, die ein sicheres Zuhause suchten. Die Debatte über Waffenlieferungen oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht wurden zum Dauerbrenner. Aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage greift das Gefühl um sich, in unsicheren Zeiten zu leben.

Aus diesem Anlass lud die Fachschaft Politik und Gesellschaft des Donau-Gymnasiums für den 13. Februar 2025 einen Experten des Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg ein zu einem Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe. Nach einer Begrüßung durch den stellvertretenden Schulleiter Thomas Mehringer erläuterte Herr Dr. Pezo kurz die Arbeit des IOS und stellte seinen Instituts-Kollegen und Referenten vor, Herrn Dr. Fabian Burkhardt, der seinen Vortrag im Plenum mit dem Arbeitstitel „Wollen die Russinnen und Russen Krieg? Russland drei Jahre nach Beginn der Vollinvasion der Ukraine“ hielt. Dr. Burkhardt beschäftigt sich am IOS Regensburg mit autoritären Regimen aus vergleichender Perspektive mit Schwerpunkt auf den postsowjetischen Raum, insbesondere Russland. Seit Juli 2020 ist  er Redakteur der Russland– und Ukraine-Analysen, die auf https://laender-analysen.de/ frei zugänglich sind.

Dr. Burkhardt untergliederte seinen Vortrag in acht Leitfragen, die bei der Erklärung helfen können, warum Russland diesen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland begonnen hat und wie lange Russland diesen möglicherweise noch fortsetzen könnte. Zu den Leitfragen gehörten etwa „Was will Putin eigentlich in der Ukraine?“, „Was denkt die russische Elite?“ oder „Warum gibt es so wenige Proteste gegen den Krieg?“ und „Was denkt die russische Bevölkerung?“. In seinen Ausführungen bezeichnete der Referent Russland als ein autoritäres Regime, das inzwischen schon totalitäre Elemente aufweist, etwa bei der Indoktrinierung in Schulen und Universitäten. Demnach diene der Krieg auch dem innenpolitischen Machterhalt Putins. Außerdem zeige sich in Putins Vorschlägen in Bezug auf die Beendigung des Krieges, dass es nicht „nur“ um ukrainische Gebiete geht, sondern Putin sich in einem „globalen Systemkonflikt“ wähnt, in Zuge dessen Europa in Einflusszonen aufgeteilt werden müsse. Die Ukraine wird zu einem Instrument des feindlichen Westens stilisiert, und ihr wird das Existenzrecht als souveräner und unabhängiger Staat abgesprochen. Obwohl bisher der Krieg in der gesellschaftlichen Breite in Russland mitgetragen werde, lohne sich trotzdem ein genauerer Blick auf einzelne politische Akteure, so Dr. Burkhardt. Die Kriegsentscheidung sei in Putins engstem Kreis gefallen, und das, obwohl sich seit dem Zerfall der Sowjetunion für über drei Jahrzehnten ein wachsender Anteil der russischen Elite mit dem Gedanken abgefunden habe, dass die Ukraine ein unabhängiger Staat geworden ist. Es gebe zwar immer noch Dollarmilliardäre in Russland, doch sollten diese im Unterschied zu den 1990er Jahren nicht mehr als Oligarchen bezeichnet werden. Denn sie sind Einzelkämpfer, die kaum willens und in der Lage sind, sich gegen Putin aufzulehnen, auch weil sie mehrheitlich sogar vom Krieg profitieren. Laut unabhängigen Umfragen – wobei diese mit Vorsicht zu interpretieren sind – unterstützen etwa 80% der russischen Bevölkerung die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg in Russland bezeichnet wird. Im Januar 2025 sprachen sich 31% der Befragten für eine Fortsetzung des Krieges aus, 61% für den Beginn von Friedensverhandlungen. Es gäbe, so Dr. Burkhardt, sowohl jeweils etwa 20% harte Kriegsbefürworter als auch 20% überzeugte Kriegsgegner; die Masse der russischen Bevölkerung befindet sich mit ihrer passiven Haltung mit etwa 60% dazwischen. Studien zum so genannten „Arabischen Frühling“ hätten gezeigt, dass ein Bevölkerungsanteil von nur etwa 3,5% als protestierende Masse auf den Straßen ausreiche, um für autoritäre Regime eine reale Gefahr darzustellen. Davon ist man in Russland nicht zuletzt aufgrund der Repressionen weit entfernt, Protest findet inzwischen kaum mehr öffentlich statt, viele Russinnen und Russen wählen den Rückzug ins Private. Putin hat derzeit noch keinen Mangel an Soldaten zu befürchten, da bei Vertragsabschluss mit der russischen Armee eine extrem hohe Prämie von derzeit im Schnitt 30.000 Dollar als Einmalzahlung gewährt wird, eine enorme Summe, die in vielen Teilen Russlands die Jahresgehälter mehrfach übersteigt. Auch die westlichen Sanktionen treffen das Gros der Bevölkerung nicht wie erwartet. Im Gegenteil: die Reallöhne sind für einige Bevölkerungsgruppen sogar gestiegen, obwohl die Rüstungsausgaben auf zwischen 6 und 8% des BIP angeschwollen sind. Seit Beginn der Vollinvasion übersteigen im Staatshaushalt die Ausgaben für Militär und Sicherheit die für Soziales, ein Bruch mit der Haushaltspolitik Putins vor 2022. Dr. Burkhardt ging auch auf einige Spekulationen ein, die häufig in den Medien zirkulierten, bei denen meist der Wunsch der Vater des Gedankens sei. Ein Zerfall Russlands sei nicht zu erwarten, und falls der nicht mehr ganz junge Präsident unerwartet sterben sollte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem „System Putin 2.0“ zu rechnen, das sich in großen Teilen reproduzieren könnte.

Im Anschluss an Dr. Burkhardts wenig optimistischen Blick in die Zukunft im Hinblick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine beantwortete der Referent noch einige Fragen aus dem Plenum, bevor der Pausengong die Schulrealität Einzug halten ließ. Noch weniger optimistisch ließen die politischen Ereignisse im Nachgang des Vortrags nach vorne blicken: US-Präsident Trump betonte die Mitschuld der Ukraine am Krieg, nannte deren Präsidenten einen im eigenen Land unbeliebten Diktator, fror die weitere militärische Unterstützung der Ukraine bis auf Weiteres ein und hinterließ viele offene Fragen zur zukünftigen Sicherheit Europas. Dennoch: vielleicht wird Dr. Burkhardt bei einem erneuten Vortrag am DGK ja eine aussichtsreiche Friedensregelung vorstellen können.

Stefan Urbansky