Drei Jahre Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine
Am 24. Februar 2025 jährte sich zum dritten Mal der Überfall Russlands auf das Nachbarland Ukraine. Für die kriegsgebeutelte ukrainische Bevölkerung eine besonders schwierige Zeit, das Kriegsende nicht absehbar, der Kriegsausgang ungewiss. Trotz des entfernten Kriegsschauplatzes bekam auch die deutsche Bevölkerung die Auswirkungen zu spüren, zum Beispiel in Form der gestiegenen Energiepreise und der Inflation, der Zunahme ukrainischer Geflüchteter, vor allem Frauen und Kinder, die ein sicheres Zuhause suchten. Die Debatte über Waffenlieferungen oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht wurden zum Dauerbrenner. Aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage greift das Gefühl um sich, in unsicheren Zeiten zu leben.
Aus diesem Anlass lud die Fachschaft Politik und Gesellschaft des Donau-Gymnasiums für den 13. Februar 2025 einen Experten des Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg ein zu einem Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe. Nach einer Begrüßung durch den stellvertretenden Schulleiter Thomas Mehringer erläuterte Herr Dr. Pezo kurz die Arbeit des IOS und stellte seinen Instituts-Kollegen und Referenten vor, Herrn Dr. Fabian Burkhardt, der seinen Vortrag im Plenum mit dem Arbeitstitel „Wollen die Russinnen und Russen Krieg? Russland drei Jahre nach Beginn der Vollinvasion der Ukraine“ hielt. Dr. Burkhardt beschäftigt sich am IOS Regensburg mit autoritären Regimen aus vergleichender Perspektive mit Schwerpunkt auf den postsowjetischen Raum, insbesondere Russland. Seit Juli 2020 ist er Redakteur der Russland– und Ukraine-Analysen, die auf https://laender-analysen.de/ frei zugänglich sind.
Dr. Burkhardt untergliederte seinen Vortrag in acht Leitfragen, die bei der Erklärung helfen können, warum Russland diesen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland begonnen hat und wie lange Russland diesen möglicherweise noch fortsetzen könnte. Zu den Leitfragen gehörten etwa „Was will Putin eigentlich in der Ukraine?“, „Was denkt die russische Elite?“ oder „Warum gibt es so wenige Proteste gegen den Krieg?“ und „Was denkt die russische Bevölkerung?“. In seinen Ausführungen bezeichnete der Referent Russland als ein autoritäres Regime, das inzwischen schon totalitäre Elemente aufweist, etwa bei der Indoktrinierung in Schulen und Universitäten. Demnach diene der Krieg auch dem innenpolitischen Machterhalt Putins. Außerdem zeige sich in Putins Vorschlägen in Bezug auf die Beendigung des Krieges, dass es nicht „nur“ um ukrainische Gebiete geht, sondern Putin sich in einem „globalen Systemkonflikt“ wähnt, in Zuge dessen Europa in Einflusszonen aufgeteilt werden müsse. Die Ukraine wird zu einem Instrument des feindlichen Westens stilisiert, und ihr wird das Existenzrecht als souveräner und unabhängiger Staat abgesprochen. Obwohl bisher der Krieg in der gesellschaftlichen Breite in Russland mitgetragen werde, lohne sich trotzdem ein genauerer Blick auf einzelne politische Akteure, so Dr. Burkhardt. Die Kriegsentscheidung sei in Putins engstem Kreis gefallen, und das, obwohl sich seit dem Zerfall der Sowjetunion für über drei Jahrzehnten ein wachsender Anteil der russischen Elite mit dem Gedanken abgefunden habe, dass die Ukraine ein unabhängiger Staat geworden ist. Es gebe zwar immer noch Dollarmilliardäre in Russland, doch sollten diese im Unterschied zu den 1990er Jahren nicht mehr als Oligarchen bezeichnet werden. Denn sie sind Einzelkämpfer, die kaum willens und in der Lage sind, sich gegen Putin aufzulehnen, auch weil sie mehrheitlich sogar vom Krieg profitieren. Laut unabhängigen Umfragen – wobei diese mit Vorsicht zu interpretieren sind – unterstützen etwa 80% der russischen Bevölkerung die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg in Russland bezeichnet wird. Im Januar 2025 sprachen sich 31% der Befragten für eine Fortsetzung des Krieges aus, 61% für den Beginn von Friedensverhandlungen. Es gäbe, so Dr. Burkhardt, sowohl jeweils etwa 20% harte Kriegsbefürworter als auch 20% überzeugte Kriegsgegner; die Masse der russischen Bevölkerung befindet sich mit ihrer passiven Haltung mit etwa 60% dazwischen. Studien zum so genannten „Arabischen Frühling“ hätten gezeigt, dass ein Bevölkerungsanteil von nur etwa 3,5% als protestierende Masse auf den Straßen ausreiche, um für autoritäre Regime eine reale Gefahr darzustellen. Davon ist man in Russland nicht zuletzt aufgrund der Repressionen weit entfernt, Protest findet inzwischen kaum mehr öffentlich statt, viele Russinnen und Russen wählen den Rückzug ins Private. Putin hat derzeit noch keinen Mangel an Soldaten zu befürchten, da bei Vertragsabschluss mit der russischen Armee eine extrem hohe Prämie von derzeit im Schnitt 30.000 Dollar als Einmalzahlung gewährt wird, eine enorme Summe, die in vielen Teilen Russlands die Jahresgehälter mehrfach übersteigt. Auch die westlichen Sanktionen treffen das Gros der Bevölkerung nicht wie erwartet. Im Gegenteil: die Reallöhne sind für einige Bevölkerungsgruppen sogar gestiegen, obwohl die Rüstungsausgaben auf zwischen 6 und 8% des BIP angeschwollen sind. Seit Beginn der Vollinvasion übersteigen im Staatshaushalt die Ausgaben für Militär und Sicherheit die für Soziales, ein Bruch mit der Haushaltspolitik Putins vor 2022. Dr. Burkhardt ging auch auf einige Spekulationen ein, die häufig in den Medien zirkulierten, bei denen meist der Wunsch der Vater des Gedankens sei. Ein Zerfall Russlands sei nicht zu erwarten, und falls der nicht mehr ganz junge Präsident unerwartet sterben sollte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem „System Putin 2.0“ zu rechnen, das sich in großen Teilen reproduzieren könnte.
Im Anschluss an Dr. Burkhardts wenig optimistischen Blick in die Zukunft im Hinblick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine beantwortete der Referent noch einige Fragen aus dem Plenum, bevor der Pausengong die Schulrealität Einzug halten ließ. Noch weniger optimistisch ließen die politischen Ereignisse im Nachgang des Vortrags nach vorne blicken: US-Präsident Trump betonte die Mitschuld der Ukraine am Krieg, nannte deren Präsidenten einen im eigenen Land unbeliebten Diktator, fror die weitere militärische Unterstützung der Ukraine bis auf Weiteres ein und hinterließ viele offene Fragen zur zukünftigen Sicherheit Europas. Dennoch: vielleicht wird Dr. Burkhardt bei einem erneuten Vortrag am DGK ja eine aussichtsreiche Friedensregelung vorstellen können.
Stefan Urbansky