In den ersten Monaten der 12. Jahrgangsstufe beschäftigten sich die Geschichtskurse vor allem mit der gescheiterten deutschen Revolution von 1848/49 sowie der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871. Doch wie entwickelte sich die Idee der „Nation“ in den anderen europäischen Ländern, jenseits der deutschen Perspektive? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, besuchten uns am 06. Dezember 2024 am Donau-Gymnasium Dr. Pezo und sein Kollege Dr. Kreuter vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg. Zunächst stellte Dr. Pezo den beiden Geschichtskursen von Herrn Marzahn und Herrn Urbansky die Arbeit des IOS vor, präsentierte aktuelle Publikationen, bot die Nutzung des Lesesaals an, versprach Hilfe bei Seminararbeiten oder Referaten und verwies auf die Möglichkeit zur Ableistung von Praktika am IOS.
Im Anschluss übernahm Dr. Kreuter den fachlichen Teil mit dem Thema „Der Nationalstaat und seine Entstehung. Kurze Übersicht über einen langen Prozess“. Als Einstieg präsentierte er eine Bilderserie auf Liebig-Extrakten aus dem Jahr 1899 zu den Hymnen und Nationalitäten Europas, wobei dieser musikalische Exkurs das nationale Durcheinander der damaligen Zeit offenbarte. Dies sollte dann auch der rote Faden des etwa einstündigen Vortrags sein, dass nämlich – so Dr. Kreuter – Nationen Konstrukte sind, die permanentem Wandel unterworfen sind und es dabei Verbindungen der Kulturen immer gegeben hat. Und so nahm Dr. Kreuter die Schülerinnen und Schüler mit auf den kühnen Ritt durch die europäische Landschaft und die Herrscherhäuser der vergangenen Jahrhunderte. So zeigte er anhand des englischen Throns die Verbindung zu den Fürstenhäusern des Festlands, welche zunächst wenig anglisiert waren: von Wilhelm von Oranien (1688) über die Könige aus dem Hause Hannover hin zum Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, dem späteren Hause Windsor (der deutsche Name schien im Umfeld des Ersten Weltkriegs nicht mehr opportun). Wenig national war auch der „Ausflug“ des bayerischen Otto von Wittelsbach auf den griechischen Königsthron in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dr. Kreuter verstand es auch, die Verbindungen Dänemarks mit Rumänien, seinem eigentlichen Forschungsschwerpunkt, herauszuarbeiten. Und er zeigte anhand eines Gemäldes von Ilja Repin mit dem Titel „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“ (1880-1891) die Bedeutung von Nationalismus in der Kunst. Mit diversen Faksimile-Drucken, Kartenarbeit und umfangreichen Detailwissen spannte Dr. Kreuter einen weiten Bogen und kehrte schließlich, den roten Faden aufgreifend, wieder zum Ausgangspunkt des Vortrags zurück, dass es nämlich nichts „Reines“ an Nationen gibt, sondern alles in Bewegung ist und Nationen somit ständig Einflüssen und Wechselwirkungen ausgesetzt sind. Dies erklärt auch die Existenz einer Carol-I.-Moschee (erbaut 1910-1912) in der ostrumänischen Stadt Constanta, benannt nach dem damaligen rumänischen König Karl I., der wiederum als Karl Eitel Friedrich Zephyrinus Ludwig von Hohenzollern-Sigmaringen aus christlichen deutschen Landen stammte.
Der Vortrag war der Beginn der Zusammenarbeit des IOS mit dem Donau-Gymnasium. Als herzliches Dankeschön an Dr. Pezo und Dr. Kreuter für diesen vielversprechenden Startschuss gab es zum Abschied passend zum Tag einen Schoko-Nikolaus.
S. Urbansky