Ein Workshop zur interkulturellen Kompetenz
Schüler und Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe und der Q11 absolvierten am letzten Tag vor den Weihnachtsferien, am 22.12.2017 einen Workshop zur interkulturellen Kommunikation, geleitet durch den Kulturwissenschaftler Dr. Tobias Hammerl, den Leiter des Stadtmuseums Abensberg.
Die Teilnehmer erfuhren dabei, dass die eigene Wahrnehmung zu einem erheblichen Teil durch die kulturelle Prägung beeinflusst ist und dass sie sich dessen immer bewusst sein sollten.
„Warum sollen gerade wir einen interkulturellen Workshop besuchen, wo der Ethikunterricht der Ort der ständigen interkulturellen Kommunikation ist?“, so dachte sich manch Teilnehmer des Workshops, der Ethik auf dem normalen Stundeplan hat und sich damit im regulären Unterricht mit unterschiedlichen Kulturen konfrontiert sieht: Im Ethikunterricht stellt die interkulturelle Verständigung die ganz normale Tagesordnung dar und die Schülerinnen und Schüler empfinden sich deshalb zurecht als Experten auf genau diesem Gebiet.
Schon zu Beginn des Workshops verblüffte Dr. Hammerl aber dann mit der Frage: „Was haben alle Kulturen gemeinsam?“, und lenkte den Blick damit auf das Unerwartete. So kleiden sich heute die Menschen unterschiedlichster Kulturen auf der Welt mit Jeans. Ausgehend von den interkulturellen Gemeinsamkeiten wurden ausführlich sichtbare und unsichtbare Unterschiede eruiert. Ein Modell verdeutlicht, dass die Kultur als Eisberg zu verstehen ist. Ihr größter Anteil, die kulturelle Prägung, bleibt für den Betrachter wie bei einem Eisberg unter dem Wasser und ist folglich unsichtbar. Dieser beeinflusst entscheidend die eigene Wahrnehmung und damit die Kommunikation jenseits des sichtbaren Anteils wie Gesten und Kleidung.
Jede interkulturelle Interaktion beginnt somit mit der eigenen Wahrnehmung und der daraus resultierenden Interpretation des Gesehenen. Diese wird wiederum von unseren eigenen Erfahrungen, unserer Empirie geprägt. Diese „kulturelle Brille“ lässt uns eine Situation in einer ganz bestimmten, von unseren Erfahrungen beeinflussten Art und Weise verstehen, auch wenn sie in Wirklichkeit völlig anders ist. Daraus resultieren natürlich Verständnis-schwierigkeiten und oft sogar Konflikte. Stolpersteine kommen überall in kulturübergreifenden Gesprächskontexten vor, bleiben häufig aber unerkannt.
Schon die alltägliche Kontaktaufnahme stellt den ersten Prüfstein dar. Die Begrüßung reicht in unterschiedlichen Regionen der Welt von einem unmerklichen kleinen Kopfnicken bis hin zu Großgebärden. Der als angenehm und angemessen gefühlte Abstand der Kommunizierenden ist dabei von Kultur zu Kultur ein völlig unterschiedlicher. Andere Beispiele verdeutlichten auf sehr unterhaltsame Weise weitere Stolpersteine. Wichtig ist folglich die genaue Beachtung der Unterschiede, die an der Oberfläche nicht erkennbar sind. Die Schärfung der eigenen Wahrnehmung, das Wissen um ihre Subjektivität und die genaue Kenntnis der eigenen kulturellen Prägung ist hierfür unerlässlich. Auf diese Weise vermeidet man Kommunikationsprobleme und peinliche Situationen, die nur beim Nachspielen im Workshop lustig sind.
Die Pause nutzte man zu einem gemeinsamen interkulturellen Essen, welches die Schülerinnen und Schüler vorbereitet hatten. Mit polnischem Gewürzkuchen, vietnamesischen Frühlingsröllchen und Glückskeksen, bayerischen Plätzchen, türkischem und armenischem Gebäck, italienischem Panettone und Pandoro, russischen Limonaden, Chips und Gebäck gestärkt, startete man zufrieden und neugierig in den zweiten Teil des Workshops.
Am Beispiel des Huttragens in niederbayerischen Wirtshäusern, welches vor 50 Jahren noch den Normalfall darstellte, heute aber unüblich ist, wurde deutlich, dass Kultur einem fortlaufenden Wandel unterzogen und damit nicht statisch ist. Sie wird im gesellschaftlichen Diskurs ständig neu verhandelt und definiert. Ein Beispiel hierfür ist die unlängst möglich gewordene Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Die ausschließlich hosentragenden Schülerinnen registrierten erstaunt, dass auch diese Selbstverständlichkeit für Frauen vor 100 Jahren noch völlig undenkbar war. Gemeinsam erkannte man, dass die sogenannte „Leitkultur“ lediglich ein kleines Fähnchen auf der sichtbaren Spitze des Eisberges bedeuten kann. Eine tatsächliche Festschreibung der Kultur ist hingegen unmöglich und niemals erwünscht. Sie würde das Ende des gesellschaftlichen Diskurses bedeuten, der eine Grundlage der freiheitlichen demokratischen Entwicklung ist.
Diese zum Teil völlig neuen Erkenntnisse gilt es nun im Alltag miteinander umzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler freuen sich mit geschärftem Blick auf weitere spannende interkulturelle Begegnungen: gut gerüstet durch einen Workshop, der die Kompetenz vermittelt hat, sich selbst in seiner kulturellen Prägung besser zu verstehen und die der anderen anzuerkennen, um damit unnötige Konflikte zu vermeiden. Ein Dankeschön an Dr. Hammerl, der uns einen sehr lehrreichen, spannenden und nicht minder unterhaltsamen Vormittag ermöglicht hat!
M. Mallmann
Lösung zum Bild von links nach rechts:
Schüler links unten: Postleitzahl Kelheim
Hintere Reihe Schülerin und Schüler mit überkreuzten Armen: Albanischer Adler als Wappentier
Hintere Reihe Schüler mit Victory-Zeichen
Bestätigungsgeste (laut Schüler)