Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus: Von der „entarteten“ und der „artigen“ Kunst!

Blick in die Ausstellung „artige Kunst. Kunst und Politik im Nationalsozialismus“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Foto: Kunstforum Ostdeutsche Galerie

Veranstaltung im Rahmen der Begabtenförderung

Kann Kunst brav sein?

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ – Diese scherzhaft gemeinte Floskel wird wahrscheinlich jeder schon einmal gehört haben. In Bezug auf die Kunst in der Zeit des Naziregimes würde sie wohl eher so gelautet haben: „Ist das artig oder muss das weg?!“

Im Nationalsozialismus wurden nämlich alle Bilder verboten, die nicht dem menschenverachtenden Weltbild der Nazis entsprachen. Sie wurden als „entartet“ eingestuft, aus Ausstellungen entfernt und auch vernichtet.

Um einen tieferen Einblick in das Kunstverständnis und in die Zeit des Nationalsozialismus zu erhalten, besuchten einige leistungsstarke Schülerinnen und Schüler des Donau-Gymnasiums am 19.10.2017 mit der Lehrerin Michaela Mallmann die Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Dort besichtigte man die Ausstellung „Artige Kunst – Kunst und Politik im Nationalsozialismus“, die von Mitte Juli bis Ende Oktober in Regensburg zu sehen war. Begleitet wurden sie von der Klasse 10c mit ihrem Kunstlehrer Herrn Eckardt, die sich ein eigenes Programm vorgenommen hatte.

Die Museumspädagogin Karla Volpert führte die gespannt wartende Gruppe durch die Ausstellung. Hier bot sich die seltene Gelegenheit, Werke aus der Zeit des Nationalsozialismus kritisch zu betrachten, die nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit in den Depots verschwunden waren und die die Öffentlichkeit normalerweise aus Angst vor rechtsradikalem Zulauf nicht zu sehen bekommt.

Das Konzept der Ausstellung beruht darauf, dass Werke, die von den Nationalsozialisten als „entartet“ bezeichnet wurden, Arbeiten von Künstlern gegenübergestellt werden, die im Dritten Reich geduldet oder sogar gefördert wurden. Auch einige Gemälde der rund 1500 Bilder umfassenden Privatsammlung von Adolf Hitler, der selbst einst Künstler werden wollte, konnten betrachtet werden. Der „Führer“ bestimmte, was entartete Kunst war und was nicht. Betroffen nahm man zur Kenntnis, dass rund 1700 Bilder aufgrund seiner Entscheidung aus deutschen Museen entfernt wurden.

Schon im Eingangsbereich des Museums sah man sich mit Malereien von Kindern aus der Zeit des Nationalsozialismus konfrontiert. Schockiert erkannten die Schülerinnen und Schüler, dass diese sich doch erheblich von den Bildern heutiger Kinder unterscheiden. Auf den Zeichnungen waren vermeintlich nationalsozialistische Familienidyllen, Panzer, Bomber und viele Hakenkreuzsymbole zu sehen. So hatte sich die Ideologie der Nationalsozialisten durch massive Propaganda auch in den Köpfen und Seelen der Kleinsten festgesetzt.

Im ersten Raum der Ausstellung wurden zwei Bilder einander gegenüber gestellt: zum einen das von Sepp Happ mit dem Titel „Über allem aber steht unsere Infanterie“, das einen Soldaten im Schützengraben zeigt, der entschlossen in die Ferne blickt, zum anderen das expressionistische „Mädchenbildnis“ von Alexej von Jawlensky. Darauf ist eine verunsichert wirkende junge Frau zu sehen. Während das erste Gemälde, in Erdtönen gehalten, auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“, die jährlich in München stattfand, gezeigt werden durfte, entsprachen die kräftigen Farben des zweiten nicht den Idealen der Nazis.

Blick in die Ausstellung „artige Kunst. Kunst und Politik im Nationalsozialismus“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Foto: Kunstforum Ostdeutsche Galerie

Als Nächstes betrachtete die Gruppe das idyllisch wirkende Bild einer „glücklichen Bauersfamilie“ mit vier Kindern, die allesamt blond und blauäugig sind, also der von den Nationalsozialisten proklamierten „Herrenrasse“ angehören. Anhand dieses „Familienbildes“ von Hans Schmitz-Wiedenbrück erschloss sich die Rolle der Frau im Nationalsozialismus. Sie sollte viele gesunde Kinder gebären und sie erziehen, denn die Jungen wurden später für den Krieg gebraucht. Kam eine Frau dieser Forderung nach, erhielt sie das Mutterkreuz, bei vier oder fünf Kindern das des dritten und ab acht Kindern das des ersten Ranges. Die Frau im Nationalsozialismus wurde auf diese Weise auf die Rolle der Mutter reduziert. Im folgenden Raum wurde den Schülerinnen und Schülern das nationalsozialistische männliche Ideal anhand der Bronzeskulpturen „Zehnkämpfer“ und „Bereitschaft“ von Arno Breker vor Augen geführt. Der Bildhauer orientierte sich dabei an antiken Figuren. Doch beim Vergleich mit Bildern von antiken Statuen erkannte man, dass diese längst nicht so muskelbepackt waren und auch ihr Gesichtsausdruck wesentlich sanftmütiger war. Aber für die Nazis zählten nur Kraft, Härte und Sportlichkeit, um im Krieg gegen die Welt siegreich bleiben zu können. Dies zeigte sich in einem Kunstideal, welches die übernatürliche Stärke der „Herrenmenschen“ betonte. Verwundert nahm man zur Kenntnis, dass die Menschen Hitler so zahlreich folgten, obwohl weder er noch seine Führungsmitglieder Göring und Goebbels diesem Bild entsprachen.

Hitler vereinnahmte mit seinem Gedankengut nicht nur die Kunst, sondern auch die Architektur. So ließ er beispielsweise das „Haus der Deutschen Kunst“, das heutige „Haus der Kunst“ in München erbauen, in dem ab 1937 jedes Jahr die „Große Deutsche Kunstaustellung“ stattfand, die den Menschen die von Hitler präferierte Kunst zeigte. Auch die Bauprojekte der Nationalsozialisten wurden in der Kunst mythologisch überhöht in Szene gesetzt. Ausgeblendet bleibt hier das Leid der KZ-Häftlinge, die zum Teil bis zum Tod für diese schuften mussten. Durch die Konzeption der Ausstellung wurde allen bewusst, dass zeitgleich zu der inszenierten „artigen“ Kunst unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unaussprechlicher Brutalität ausgegrenzt, in Konzentrationslagern gefoltert und ermordet wurden und der Zweite Weltkrieg zumindest vorbereitet war oder schon seinen verheerenden Lauf nahm. Man erkannte beim aufmerksamen Betrachten der Bilder und Skulpturen, dass diese das Selbstbild des Regimes in der Öffentlichkeit durch massive Propaganda prägten und gleichzeitig von Krieg, tagtäglichem Terror und Massenmord ablenken sollten, um jeglichen Zweifel oder aufkommende Kritik im Keim zu ersticken. So war die „artige“ oder auch „brave“ Kunst eine verlogene Kunst, die die grausame und bestialische Wirklichkeit ausblendete, um die Menschen ruhigzustellen.

Es gab aber auch Künstler, die sich den strengen Vorgaben der Nazis widersetzten und dafür starben oder zumindest wie Willi Baumeisteiter ihr Leben riskierten. Er übermalte die Motive der von den Nazis anerkannten Künstler Adolf Ziegler und Arno Breker und machte sich damit über die nationalsozialistische Kunst und die Nationalsozialisten in Gänze lustig. Diese Postkarten verschickte er dann an seine Freunde.

Um das Gesehene zu verarbeiten, konnten die Schülerinnen und Schüler im anschließenden Workshop selbst wie Willi Baumeister „artige“ Kunstwerke überzeichnen oder zu einer Collage verändern, was alle mit Begeisterung taten. Am Ende des Ausflugs entstand mit kreativem Eifer allerhand Artiges und „Unartiges“. Die Teilnehmer der Exkursion nutzten die Möglichkeit, sich von der Kunst der Nationalsozialisten gestalterisch frei und kritisch zu distanzieren.

Die Beteiligten waren von diesem sehr anspruchsvollen, beeindruckenden Ausflug begeistert und fuhren um einige Erkenntnisse bereichert nach Kelheim zurück.

Wir bedanken uns beim Museum für die Bereitstellung der Ausstellungsfotos und den gewinnbringenden Tag!

Charlotte Finger, Rosina Linhard und Michaela Mallmann

Workshopteilnehmer/innen, Foto: M. Mallmann
Workshopteilnehmer/innen, Foto: M. Mallmann
Workshopteilnehmer/innen, Foto: M. Mallmann

Ergebnisse des Workshops:

Ergebnisse des Workshops