„Arbeit macht vieles, nur nicht frei“- Exkursion der 9. Klassen zur KZ-Gedenkstätte Dachau
Es ist ein schwüler Donnerstag; das Wetter ist trüb, und es liegt eine seltsame Stimmung in der Luft, als wir vor jenem eisernen Tor stehen. In großen Buchstaben steht darauf geschrieben: „Arbeit macht frei.“ Worte, die eigentlich Mut machen sollten. In Wirklichkeit aber ist es das Tor in ein grausames Gefängnis voller Leid und Grausamkeit, in dem die Inhaftierten auf Veranlassung der Nazis bis zum Zusammenbruch arbeiten und hungern mussten. Täglich waren sie dabei Krankheiten und Folter sowie den willkürlichen Strafen der SS-Aufseher ausgesetzt.
Das Konzentrationslager Dachau wurde im März 1933 erbaut, da die Gefängniskapazitäten aufgrund der vielen Verhaftungen durch das NS-Regime nicht mehr ausreichten. Es war ein reines Männer-KZ und die Vorlage für viele weitere KZs. Diese dienten der Entwürdigung und nicht zuletzt der Ermordung jener Menschen, welche in den Augen der Nazis nicht zur „Deutschen Volksgemeinschaft“ gehörten. (Dies betraf vor allem Juden oder politische Gegner).
Das NS-Regime und der Zweite Weltkrieg sind das zentrale Thema des Geschichtsunterrichts in der 9. Jahrgangsstufe, weshalb wir am 07.07.2022 zu unserer Fahrt zur KZ-Gedenkstätte nach Dachau nahe München aufgebrochen sind. Dort angekommen, haben wir kurz die Gelegenheit gehabt, uns im Museumsshop umzusehen, wo es zahlreiche Bücher rund um das Thema Nationalsozialismus und Konzentrationslager zu kaufen gibt.
Nun betreten wir durch das ein wenig quietschende Eisentor das etwa 200 Fußballfelder große historische Gelände und stehen auf dem riesigen Appellplatz. Hier bekommen wir einen ersten Eindruck von der Dimension des Lagers und die meisten überkommt trotz der großen Zahl an lärmenden Besuchern ein mulmiges Gefühl. Wir vereinbaren, 20 Minuten lang eigenständig das Museum zu besichtigen, welches unter anderem sehr anschaulich die Schicksale einiger Häftlinge sowie den geschichtlichen Hintergrund zum NS-Regime beleuchtet.
Bei unserem Treffpunkt wartet eine junge Dame auf uns, die uns in einer zweistündigen Führung vor allem das Leben der Häftlinge näherbringen wird. Wir erfahren beispielsweise, dass Inhaftierte zur Arbeit in umliegenden Firmen gezwungen wurden, um die vielen Männer, die in den Krieg gezogen waren, zu ersetzen. Die Arbeit war vor allem draußen sehr hart; wer zu erschöpft war, wurde wegen „Befehlsverweigerung“ erschossen. Andere Häftlinge brachen einfach zusammen. Zur abendlichen Zählung mussten dann die lebenden Gefangenen die Toten in Schubkarren bringen, um zu beweisen, dass diese nicht geflohen waren.
Als wir uns auf den Weg zum „Bunker“, dem Lagergefängnis, machen, herrscht betretenes Schweigen. Die Dame erzählt uns von den noch schrecklicheren Bedingungen in den Gefängniszellen, der Folter, der Verzweiflung, dem Hunger und den Schreien nachts, wenn Menschen willkürlich erschossen wurden. Das alles ist so unvorstellbar, und doch laufen wir nun durch das alte Gebäude; sehen die Stehzellen (80 x 80 cm) und Dunkelzellen, beide für Männer, die äußerst schlimme Verbrechen begangen hatten. Dabei konnte es schon reichen, die SS-Aufseher „falsch“ zu grüßen.
Nun müssen wir uns allerdings etwas beeilen, denn um zum Krematorium zu gelangen, müssen wir bis zum anderen Ende des Areals laufen. An diesem Ort wurden noch vor knapp 80 Jahren bergeweise Leichen in großen Öfen verbrannt. Dazu zeigt uns unser Guide Bilder von ausgemergelten, blassen Gestalten, die jegliches Menschliche verloren haben – ein Anblick, der einen erst einmal schlucken lässt. Die Todesursachen, erläutert sie, seien vielseitig gewesen; ob Hunger, Entkräftung, Seuchen oder die Ermordung durch SS-Leute. Von 1933 bis 1945 kamen hier offiziell 41 500 Häftlinge ums Leben; tatsächlich dürften es weitaus mehr gewesen sein!
Und dann steht noch die Besichtigung eines ganz besonders schrecklichen Ortes an: der Gaskammer. Es ist ein niedriger, winziger Raum ohne Fenster, mit Duschköpfen an der Decke. Diese waren jedoch Attrappen, um die Häftlinge mit der Aussicht auf Körperpflege in die Kammer zu locken. Das erdrückende Gefühl des Gefangenseins schnürt uns die Kehlen zu. Noch schlimmer wird es bei dem Gedanken daran, dass hier durch einen winzigen Lüftungsschacht das Giftgas Zyclon B eingeschüttet worden sein könnte. Jedoch ist man sich über die tatsächliche Inbetriebnahme der Gaskammer in Dachau nicht ganz einig.
Eine allgemeine Erleichterung breitet sich bei den Besucherinnen und Besuchern aus, als wir ins Freie treten. Und doch ist sie surreal; diese schöne Umgebung aus groß gewachsenen Bäumen und Sträuchern rund um das Krematorium, genauso wie die wunderschöne Allee, die hin zu den Baracken führt. Nur ein Wimpernschlag, und man sieht wieder die Maschendrahtzäune und Wachtürme des Lagers.
Leider müssen wir uns bei unserer letzten Station sehr beeilen, denn der Bus wartet schon. Im Schnelldurchlauf können wir allerdings schon die beiden nachgebauten Baracken ansehen, wobei uns klar wird, wie grausam das Zusammenleben eng auf eng mit Fremden hier gewesen sein muss. Da sind die ungemütlich und hart aussehenden Stockbetten und ein notdürftiger Waschraum mit Plumpsklos. Noch unvorstellbarer ist es dabei, zu erfahren, dass das Lager ursprünglich für 6000 Inhaftierte Platz bieten sollte; tatsächlich waren es aber in der Endphase des Krieges, also kurz vor der Befreiung des Lagers, 30 000 Männer.
Zum Ende unserer Tour verabschiedet sich der Guide von uns und gibt uns noch auf den Weg, nicht den restlichen Tag lang traurig über die furchtbaren Geschehnisse in den KZs zu sein. Und tatsächlich empfinden viele von uns ein Gefühl der Befreiung, als wir durch das Eisentor wieder hinaustreten. Dennoch können wir mitnichten nachempfinden, wie sich die Befreiung der Lagerinsassen Ende April 1945 angefühlt haben muss. Auf dem Weg zu den Bussen kehren wir nach und nach in die Realität zurück, wobei wir das mulmige Gefühl und somit hoffentlich erst mal die düsteren Gedanken an die Gräueltaten der Nazis hinter uns lassen.
Ein klassischer Schulausflug war es nicht, wohl aber eine wichtige Erfahrung, die meiner Ansicht nach alle Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht machen sollten, um dieses Kapitel der Geschichte nicht zu vergessen.
(Helena Hower, Herr Lindner; Foto: Herr Urbansky)