Auf geht’s! Von wegen Kanaldeckelpolitik!

Kommunalpolitik ist viel spannender, als ihr denkt!
Der Exkursions- und Informationsbericht des Arbeitskreises Demokratie
Fraktionssitzung im Rathaussaal

Seit eineinhalb Jahren arbeiten wir, eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 7-12, gemeinsam mit dem Stadtmuseum Abensberg an dem Projekt „Du entscheidest! Das Planspiel zu Kommunalpolitik“. Wir entwickeln im Rahmen eines Wahlkurses ein Planspiel, welches eine Stadtratssitzung simuliert. Damit wollen wir erreichen, dass die Menschen verstehen, wie politische Entscheidungen auf kommunaler Ebene, also bei uns vor Ort, gefällt werden. Das Ziel ist, damit gegen die Politikverdrossenheit zu kämpfen und uns für unsere Demokratie einzusetzen. Um das Planspiel realitätsnah gestalten zu können, haben wir uns in die Kommunalpolitik gestürzt. Dabei haben wir allerhand Interessantes erfahren. Der Erfahrungsbericht wurde auch in der Schülerzeitung abgedruckt. Hier hatten wir zur Erklärung noch Teile unseres Glossars abgedruckt, welches wir im Wahlkurs selbst geschrieben haben. Für die Überarbeitung und Beratung bei der Erstellung desselben möchten wir uns bei Simon Budde von der Friedrich-Ebert-Stiftung bedanken!

Wir verfolgen politische Bildung von Grund auf!

Gemeinsam haben wir in den letzten Monaten eine Sitzung des Bauausschusses der Stadt Kelheim, die Fraktionssitzung der SPD, die Stadtratssitzung, in der das Kunstrasenprojekt scheiterte, und schließlich eine Bürgerversammlung im Gasthof Frischeisen besucht. Damit wir an den Veranstaltungen teilnehmen konnten, wurde vom Bürgermeister Horst Hartmann die Bauausschusssitzung in den Deutschen Hof verlegt und die Fraktionssitzung in den großen Sitzungssaal des Rathauses. Der Bürgermeister selbst war als Oberhaupt der Stadt bei allen Sitzungen und natürlich auch bei der Bürgerversammlung anwesend.

Am Ende unserer demokratischen Bildungsreise erklärte er sich gerne bereit, uns, den politikbegeisterten Schülerinnen und Schülern des Donau-Gymnasiums, Rede und Antwort zu stehen. Gemeinsam, immer begleitet von dem Stadtoberhaupt, haben wir Schritt für Schritt begriffen, wie demokratische Entscheidungen in Kelheim gefällt werden.

Schritt 1: Die Bauausschusssitzung am 10.12.2018

Der erste Eindruck: Demokratie ist einfach!

Das war die Reaktion unserer Lehrerin Frau Mallmann nach der Bauausschusssitzung am 10.12.2018, die der Arbeitskreis besucht hatte. Auch uns hatte sich der Eindruck aufgedrängt, dass politische Entscheidungen auf kommunaler Ebene zumindest im öffentlichen Teil der Sitzung völlig konfliktfrei verhandelt werden. Fast alle Anträge wurden zwar nach genauen Nachfragen, aber ohne Gegenstimmen genehmigt. Besucht hatten wir Wahlkursler die Bauausschusssitzung, um die demokratische Willensbildung auf kommunalpolitischer Ebene im Prozess der Entscheidungsfindung zu verstehen.

Der Ablauf, so erkannten wir schnell, ist immer der gleiche. Zuerst wird durch einen mehr oder weniger kurzen Sachvortrag der Antrag vorgestellt. Dann stellen die Mitglieder des Bauausschusses Fragen zu dem Vorhaben. Dabei können durchaus kontroverse Diskussionen entstehen. Am Ende wird über den Antrag abgestimmt und es werden auf diese Weise erste politische Entscheidungen getroffen, die die Stadtratssitzung wesentlich entlasten, so z.B. die Genehmigung eines Schuppenbaus oder eines Einfamilienhauses. Gewichtige Entscheidungen wie der Standort des zukünftigen Einkaufszentrums werden dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt.

Schritt 2: Die SPD-Fraktionssitzung am 13.12.2018

Die Vorbereitung der Stadtratssitzung in den Fraktionen nach dem Motto: Einigkeit macht stark!

Am Donnerstag, den 13.12.2018, besuchten wir am späten Nachmittag die Fraktionssitzung der SPD, zu der Bürgermeister Horst Hartmann uns eingeladen hatte. Vor dem Besuch hatten sich die Fraktionssprecher der fünf Parteien, die im Kelheimer Stadtrat sitzen, schon besprochen.

Nach der Fraktionssitzung mit Bürgermeister Horst Hartmann

Die Fraktionssitzung soll Einigkeit innerhalb der einzelnen Parteien herstellen. Eine Fraktionssitzung ist wie eine Stadtratssitzung auch in einen öffentlichen und in einen nicht öffentlichen Teil gegliedert. In dem öffentlichen Teil, den wir besuchen durften, ging Claus Hackelsperger, der Fraktionssprecher der SPD, die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung am kommenden Montag durch. Für Aufregung innerhalb der Fraktion sorgte die Standortüberlegung eines Kunstrasenprojektes für die Kelheimer Fußballvereine. Das Projekt soll über das EU-Leader-Programm finanziert werden. Hier war man sich innerhalb der Fraktion nicht ganz einig, ein böses Omen für die zukünftige Entwicklung. Neugierig gemacht, freuten wir uns auf die Stadtratssitzung, in der dieses Projekt zu verhandeln war …

Schritt 3: Die Stadtratssitzung am 17.12.2018

Der tiefe Einblick: Spannung pur! Demokratie ist nicht immer einfach …

Am 17. Dezember 2018 bekamen wir als vorläufigen Höhepunkt die Möglichkeit, an einer Kelheimer Stadtratssitzung im Deutschen Hof teilzunehmen. Dort konnten wir Kontakt zu weiteren Politikern knüpfen.

Nach der persönlichen Begrüßung durch den Bürgermeister Horst Hartmann und einer kurzen Vorstellung der Tagesordnung begannen die umfassenden Diskussionen. Zunächst wurde die letzte Niederschrift genehmigt. Anschließend informierte Sonja Wessel, zuständige Altstadtmanagerin, über die aktuelle Lage in Kelheim, darunter Flächennutzung und zukünftige Pläne. Es stellte sich heraus, dass sich zwar viele Einzelhändler aus unterschiedlichen Branchen in der Innenstadt angesiedelt haben, jedoch derzeit auch 800 m2 Leerstand vorhanden sind. Maßnahmen der Stadt Kelheim letzteren zu reduzieren, sind sowohl Vermittlungen der Geschäftsflächen als auch Förderungen, beispielsweise in Form von Steuererleichterungen. Nach zahlreichen Rückfragen, vor allem zum Thema Onlinehandel und weiteren Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung, konnte das Projekt eines Allwetterfußballplatzes vorgestellt werden. Obwohl nur noch dessen Standort in der Sitzung festgelegt werden sollte, um einen Fördergeldantrag durch das Leader-Programm der EU fertigzustellen, entfachte eine heftige Diskussion über die eigentlich im Juli 2018 schon beschlossene grundsätzliche Anschaffung des Kunstrasens. Nach fast eineinhalbstündiger Debatte über unterschiedlichste Argumente zu Gesundheits- und Umweltfragen unterbrach der Bürgermeister die Sitzung und bat die Fraktionsführer sich vor Ort in kleinem Kreis noch einmal kurz mit ihm zu beraten. Trotzdem konnten sich die Mitglieder nicht zur Anschaffung des Kunstrasens durchringen.

Für uns war es äußerst spannend, die teilweise sehr leidenschaftlich vorgetragenen Argumentationen zu verfolgen. Demokratische Entscheidungsprozesse können an wichtigen Punkten äußerst schwierig und kontrovers in der Auseinandersetzung ausfallen.

Schritt 4: Die Bürgerversammlung am 12.02.2019

Der Bürgermeister Horst Hartmann steht den Kelheimern Rede und Antwort!

Wir hatten uns im Gasthof Frischeisen mit über 100 Kelheimer Bürgerinnen und Bürgern versammelt. In einem ersten Teil informierte der Bürgermeister über die aktuelle Lage der Stadt Kelheim und zog damit auch indirekt eine Bilanz seiner bisherigen Tätigkeit. Etliche Themen wurden angesprochen, die allesamt die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betreffen. Leerstände in der Altstadt, eine autonome Buslinie, der neue Waldkindergarten, die Verkehrsüberwachung mittels Geschwindigkeitskontrolle, die Turnhalle der Grundschule Hohenpfahl und eine Parkgebühren-App wurden zum Beispiel durch den Bürgermeister erläutert.

Der AK Demokratie bei der Bürgerversammlung

Im zweiten Teil meldeten sich die Kelheimer zu Wort. Sie äußerten zahlreiche Wünsche und Anliegen, aber auch deutliche Kritik. Gerade der Zustand der Straßen ist vielen ein Dorn im Auge, sehr zu unserer Verwunderung. Die bessere Verkehrsanbindung Kelheims an Regensburg ist gerade jungen Kelheimern ein echtes Anliegen. Vor allem der Standort des Bahnhofes in Saal wurde von der Versammlung lebhaft diskutiert. Etliche wünschten sich einen eigenen Kelheimer Bahnhof, den es wohl so schnell nicht geben wird. Zudem wurde die überlastete B16 als Weg nach Regensburg kritisiert. Der Bürgermeister schlug den Bürgern hemdsärmelig humorig vor, dass sie halt besser in Kelheim bleiben und dort auch einkaufen sollen, dann hätte sich ihr Problem erledigt. Am Ende der Veranstaltung wandte sich der Bürgermeister dem Arbeitskreis zu, um die ersten drängenden Fragen zu beantworten, obwohl der offizielle Interviewtermin für den nächsten Tag schon feststand.
Durch die unmittelbaren Eindrücke motiviert und inspiriert, wurde noch vor Ort beschlossen, die Bürgerversammlung am Ende des Spiels einzubauen, damit auch hier der Bürgermeister für seine im Spiel zu verantwortende Politik Rede und Antwort stehen muss.

Schritt 5: Der Bürgermeister erklärt sich am 13.2.2019

Auf Tuchfühlung mit dem Rathauschef!

Nach dem Besuch des Bauausschusses, der Fraktionssitzung, der Stadtratssitzung und schließlich der Bürgerversammlung bestand bei uns tatsächlich Rede- und stellenweise auch kommunalpolitischer Erklärungsbedarf. Unterschiedliche, spannende Einblicke waren durch die in zeitlicher Nähe erfolgten Exkursionen in die Kommunalpolitik möglich geworden.

Besuch vom Bürgermeister Horst Hartmann

Wie immer hatte sich der Bürgermeister gerne Zeit genommen, um uns weiterzuhelfen. Einen Kelheimer Bahnhof wird es wahrscheinlich nicht geben, beharrt Horst Hartmann. Dafür macht er den Schülerinnen und Schülern Hoffnung auf eine deutlich schnellere Verbindung von Kelheim nach Saal. Als ihn eine Schülerin auf die Gerüchte, die über die türkisch-islamische Gemeinde kursieren, anspricht, istsich der Bürgermeister sicher, dass Hetze nie der richtige Weg sei, sondern dass man miteinander reden muss. Das Kunstrasenprojekt nahm wie erwartet in der Stunde einen breiten Raum ein. So erfuhren wir, dass das Unterfangen nach dem Scheitern im Stadtrat noch nicht endgültig ad acta gelegt ist. Auf unsere Frage, wie denn die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien im Stadtrat funktioniere, wurden wir überrascht, da sich uns durch die Kunstrasendebatte ein anderer Eindruck aufgedrängt hatte. Der Bürgermeister erklärte nämlich, dass diese prinzipiell eher unproblematisch verlaufe. Sie sei nicht von der Parteiideologie geprägt, sondern von Sachpolitik.

Mit anwesend, wie auch schon in der Bürgerversammlung, war Marion Hutzler von der Mittelbayerischen Zeitung, die über die beiden Veranstaltungen anschließend in der Druckausgabe und in der Online-Version der Mittelbayerischen informierte. Sie sprach so z. B. die sowohl in der Bürgerversammlung als auch in der Kommunalpolitik fehlenden Frauen und jungen Politikerinnen und Politiker an.

Natürlich wollten wir vom Rathauschef auch allerhand Persönliches wissen. Interessant war vor allem, wie es so ist, als Bürgermeister an der Spitze einer Gemeinde zu stehen. Wir erfuhren, dass man Kritik gegenüber nicht zu empfindlich sein darf. Er selbst wolle nicht von „Jasagern“ umgeben sein. Seine Mitarbeiter müssten die Möglichkeit haben, ihn auf Fehlentscheidungen hinzuweisen. Bei konkreten Beleidigungen hört der Spaß aber auch für Horst Hartmann auf. Sein Kontrahent habe dann mit deutlichen Antworten zu rechnen. Auf die Frage, ob denn das „stadttragende“ Amt seine Persönlichkeit verändert habe, erhielten wir die Antwort, dass das Gottseidank nicht der Fall sei. Sein grundlegendes Naturell, so der Bürgermeister, sei das gleiche geblieben. Er sei immer noch eher locker und lustig, was wir durchaus bestätigen können. Trotzdem fühle er sich als Bürgermeister stärker unter Beobachtung. Seinen Stammtisch besucht er im Übrigen immer noch jeden Donnerstag, ohne Bürgermeisterbonus!

Aileen Beetz, Rosina Linhard, Lea Neumaier, Michaela Mallmann

Ihr seht, wir haben allerhand erlebt und dabei gleichzeitig unsere Demokratie besser zu verstehen gelernt. Kommunalpolitik betrifft uns alle und ist ganz schön spannend!

Wer Interesse an unserem Projekt hat, kann sich auf der Homepage über das Schlagwort „Arbeitskreis Demokratie“ informieren. Zudem könnt ihr euch jederzeit an uns, die Mitglieder des Arbeitskreises, und an unsere Lehrerin Michaela Mallmann wenden.

Der Arbeitskreis Demokratie