Seit 2010 ist Herr Dr. Hünemörder von der LMU München regelmäßig im Herbst bei uns zu Gast, um vor den Jahrgängen der Oberstufe zu aktuellenThemen amerikanischer Politik zu referieren. In diesem Herbst konnte wegen der Hygieneschutzmaßnahmen der Vortrag zum ersten Mal nicht live stattfinden. Doch die Englischkurse der Q11 und Q12 mussten nicht darauf verzichten: Herr Dr. Hünemörder hielt seinen Vortrag zu den bevorstehenden US-Wahlen per Video.
Dr. Markus Hünemörder lehrt Geschichte an der Ludwig-Maximilian-Universität München mit dem Spezialgebiet Amerikanische Geschichte. So wie Sportbegeisterte die Bundesliga oder Champions League im Fernsehen verfolgen, so beobachtet er – laut eigener Auskunft – was in Washington D.C. geschieht. Der Vergleich mit dem Sport eignet sich deshalb sehr gut, weil die amerikanischen Wahlen, so wie die Olympischen Spiele, nur alle vier Jahre stattfinden und ein ganz besonderes Ereignis darstellen, noch dazu bei dem umstrittensten Präsidenten in USA seit Richard Nixon.
Im ersten Teil seines Vortrags erklärt Dr. Hünemörder, warum Trump die Amerikaner spaltet. Nun, er gewann 2016 die Präsidentschafts-wahlen, obwohl seine Gegnerin Hillary Clinton die Mehrheit der Stimmen erhielt (das liegt am amerikanischen Winner-takes-it-all-System). Trump verbreitet Unwahrheiten, bricht absichtlich Regeln und Konventionen und nimmt in Kernfragen der Politik wie Einwanderung, Außenpolitik, Globalisierung und Welthandel radikale Positionen ein. Für sein vielkritisiertes Mauer-Projekt an der mexikanischen Grenze hat er militärische Gelder abgezweigt, nachdem ihm der Kongress die Finanzierung verweigerte. Bei seinen Tiraden gegen Einwanderer lässt Trump schon mal geographische Kenntnisse über sein eigenes Land vermissen, wenn er eine Mauer in Colorado verspricht, das gar keine Grenze zu Mexiko hat. Seine treuen Anhänger lassen sich davon nicht beirren.
Die traditionelle Linie bisheriger US-Außenpolitik lehnt Trump ab: Er stellt die NATO in Frage, gefährdet die Beziehungen zur EU, umwirbt stattdessen die Diktatoren der Welt und beginnt einen Handelskrieg mit China.
Was schätzen dann Trumps Wähler an ihm? Es ist wohl gerade diese brachiale Art, die gut bei hauptsächlich weißen, älteren, männlichen Amerikanern in ländlichen Gegenden ankommt. Trump schert sich nicht um political correctness und verspricht die Rückkehr („Make America great again“) zu einem Heile-Welt-Amerika, so wie es in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts existiert haben soll. Seiner eigenen Partei ist Trump zwar selbst oft peinlich, doch wagen viele traditionelle Republikaner nicht, sich öffentlich gegen ihn zu stellen, um nicht selbst die Wählerstimmen der Trump-Basis zu verlieren.
Das Jahr 2020 hat die USA hart getroffen: Das Land weist die größte Anzahl von Covid-19 Todesfällen der ganzen Welt auf und hat wirtschaftlich schlimme Einbußen erlitten. Es gab schreckliche Vorfälle von Polizeigewalt gegen Farbige bis hin zur Tötung. Trumps Unfähigkeit, richtig auf diese Verbrechen und auf die Pandemie zu reagieren und Führungsstärke zu beweisen, spielt so kurz vor den Wahlen seinen Gegnern in die Hände. Die Black Lives Matter-Bewegung, die zunehmend auch von weißen Amerikanern unterstützt wird, wird von Trump als eine Truppe von Anarchisten und Kriminellen bezeichnet, die unter einer Biden-Regierung völlig außer Kontrolle geraten würde.
Nun stellt sich die bange Frage, ob Joe Biden es schafft, gegen Trump zu gewinnen. Obamas ehemaliger Vizepräsident ist mit seinen 77 Jahren noch älter als Trump und wirkt in der Öffentlichkeit zwar als etwas fader Kandidat, doch gilt „Sleepy Joe“ (O-Ton Trump) als anständig, ehrlich und nicht-radikal, so dass er mit seiner besonnenen Art möglicherweise auch Wähler aus dem Trump-Lager zurück-gewinnen könnte. Biden verspricht, das gespaltene Land zu einen und in vielfacher Hinsicht wieder gesund zu machen.
Sowohl bei nationalen Umfragen wie auch in den sogenannten Swing States liegt Joe Biden im Moment in Führung, aber das garantiert keineswegs einen Sieg am 3. November. Es wird spannend bleiben.
Text: Inge Kronfeldner für die Fachschaft Englisch
Foto: mit Genehmigung von Dr. Markus Hünemörder