Das W-Seminar Geschichte – ein Pilotprojekt des Hauses der Bayerischen Geschichte
Am 18.02.2019 präsentierten 30 Schülerinnen und Schüler des Donau-Gymnasiums Kelheim vor dem Haus der Bayerischen Geschichte die Ergebnisse ihrer wissenschaftspropädeutischen Arbeiten.
Damit war man bayernweit das erste W-Seminar, das als Pilotprojekt für die Webpräsenz der Bavariathek vom Haus der Bayerischen Geschichte betreut worden war.
Im September 2017 hatten sich die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer erstmals um ihre Geschichtslehrkräfte Michaela Mallmann und Christian Pöllath versammelt. Das gemeinsame Ziel war, durch eine „Spurensuche vor Ort“ die Geschichte der eigenen Heimat mit einer Vielzahl unterschiedlicher Themenstellungen von der Antike bis zur Zeitgeschichte unter die Lupe zu nehmen. Auf diese Weise sollte die Geschichte als ein Teil unserer eigenen Identität begriffen und die historische Bedeutung der Region bewusst gemacht werden. Im Fokus waren hierbei nicht nur die zentralen historischen Ereignisse rund um Kelheim, sondern insbesondere die Alltagsgeschichte der Heimat. Die Lebenswelt, das Denken und Fühlen derjenigen, die von dem großen Geschehen der Makrogeschichte in ihrem Mikrokosmos betroffen waren. Erfragt wurde, wie die Menschen in unterschiedlichen Zeiträumen existiert, wie sie im Schatten der historischen Ereignisse gelebt und überlebt haben. Die Themen waren allesamt von den Schülerinnen und Schülern in ihren Wünschen und Interessen selbst gewählt, mühevoll ausformuliert und dann vor Ort „erforscht“ worden.
So war es dem Seminar eine große Ehre, dass sich das Haus der Bayerischen Geschichte bereit erklärt hatte, eine Auswahl der Ergebnisse in die Webseite der Bavariathek einzuspeisen. Am 5.06.2019 wird das Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte am Donaumarkt in Regensburg eröffnet. Die Bavariathek wird als das neben dem Museum liegende Schulungszentrum 2020 nachziehen. Schülerinnen und Schüler aus Bayern arbeiten schon seit einiger Zeit an vielfältigen Projekten aus der Bayerischen Geschichte, die allesamt Eingang in die Webseite der Bavariathek finden sollen. Gemeinsam traf man sich am 18.02.2019 im Café Degginger in Regensburg, wo die Ergebnisse präsentiert wurden. Neben dem W-Seminar aus Kelheim waren unter anderem ein Projekt des Albrecht-Altdorfer-Gymnasiums Regensburg, eines der Berufsschule Schweinfurt und der Profilkurs des Gymnasiums München-Moosach mit am Start.
Dr. Andreas Kuhn eröffnete als Leiter der Bavariathek die Veranstaltung. Er lobte alle Anwesenden ausdrücklich für ihr Engagement um die bayerische Geschichte und hob die Bedeutung des Moments hervor, in dem die Projekte das Licht der Öffentlichkeit erblicken und damit die Arbeit der Schülerinnen und Schüler entsprechend gewürdigt und anerkannt werde.
Die Spurensuche aus Kelheim wurde von Dr. Christine Grieb moderiert, die zuerst das Seminar in der Gesamtschau vorstellte. Stellenvertretend für alle anderen wurden drei Schülerinnen über ihre W-Seminararbeiten interviewt. Sarah Halloul hatte sich als Thema die Erlebnisse des Essinger Soldaten Josef Deifl auf dem Russlandfeldzug gewählt. Sie zeigte sich schockiert über die Erfahrungen des jungen Essingers, die ihr den Krieg in all seinen schrecklichen Auswirkungen auf den Menschen gezeigt hatte. Dass in Saal an der Donau, das in unmittelbarer Nähe zu Kelheim liegt, ein Konzentrationsaußenlager von Flossenbürg in der Zeit des Nationalsozialismus zu finden war, erklärte Eva Hueber mit ihrem Schwerpunktthema. Sie hatte sich eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte vorgenommen und einen Zeitzeugen, einen überlebenden jüdischen Häftling des Konzentrationslagers Saal, Jakob Haiblum, interviewt. Er beschrieb Saal als das schrecklichste aller Lager, von denen er einige, so auch Auschwitz, durchlitten hatte. Olivia Gessner orientierte sich hingegen in ihrer Spurensuche zeitgeschichtlich. Die Städtepartnerschaft ihres eigenen Heimatortes Bad Abbach mit der französischen Stadt Charbonnières-les-Bains und ihre Bedeutung für das deutsch-französische Verhältnis waren die Objekte ihres historischen Interesses.
Ersichtlich wurde, dass die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte die oft weit entfernte Geschichte der Großen und Mächtigen für die jungen Forscherinnen in der Mikrogeschichte konkret und erfahrbar gemacht hat, durch die intensive biografische Auseinandersetzung im Rahmen einer W-Seminararbeit stellenweise sogar tiefe Betroffenheit bei ihnen hinterlassen hat. Das Bewusstsein dafür, dass die großen zeitgeschichtlichen Ereignisse ihren Schatten auf einen jeden von uns werfen, hat am Ende des Seminars bei allen Schülerinnen und Schülern an Schärfe gewonnen. Geschichte betrifft uns doch!
Erstaunt war man am Ende des Seminars zudem darüber, welche Bedeutung die eigene Heimat im großen Kontext der europäischen und weltgeschichtlichen Geschehnisse hatte. Immer wieder war die Stadt Kelheim und die Region im Schlaglicht der Geschichte. Das Geschehen vor Ort ermöglicht Einblicke, selbst in die Weltgeschichte! Die Geschichte der anderen ist damit keine Geschichte des Weitentfernten mehr. Auch die Makrogeschichte gewinnt durch die Beschäftigung mit der eigenen Heimat an Nähe und an Tatsächlichkeit.
Mit der Präsentation vor dem Haus der Bayerischen Geschichte erfuhr die Spurensuche eine öffentlichkeitswirksame Anerkennung und gleichzeitig einen in diesem Rahmen beeindruckenden Abschluss. Dies ist nicht nur dem Einsatz der Schülerinnen und Schüler zu verdanken. Das W-Seminar war sich seiner fachkundigen Kooperationspartner jederzeit sicher: Mit Tat- und vor allem Geisteskraft haben diese das Projekt und damit sein Gelingen unterstützt. So gilt der Dank denjenigen, die den Weg der Spurensucher begleitet haben: Mit ihrer Hilfe wurden aus ersten Spuren Fährten, die miteinander weiterverfolgt erstaunliche „kleine“ historische Funde ermöglicht haben. Das Seminar bedankt sich beim Haus der Bayerischen Geschichte, dem Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte Regensburg, dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Staatsarchiv Landshut, allen das Seminar unterstützenden Stadt- und Gemeindearchiven, besonders beim Stadtarchiv Kelheim, dem Archäologischen Museum Kelheim, dem Stadtmuseum Abensberg, der DOLINA Gesellschaft für Landeskunde e.V. Ohne sie alle wäre das Seminar nicht möglich gewesen!
Das W-Seminar „Spurensucher vor Ort“ mit
Michaela Mallmann und Christian Pöllath