Ein Workshop für die Q11 Ethik zur Konstruktion von Werten und Historie in stadtgeschichtlichen Abteilungen
Die Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Abensberg ist dem Ethikkurs seit der 10. Jahrgangsstufe zu einer lieb gewonnenen Gewohnheit geworden. Zum dritten Mal in Folge stellte man sich gemeinsam mit dem Museumsleiter Dr. Tobias Hammerl und der Ethiklehrerin Michaela Mallmann einer völlig neuen intellektuellen Herausforderung auf hohem Niveau, die in einem konstruktiven Sturm des Museums am Vormittag des 18. Juli 2019 enden sollte.
Ziel war vor Ort, also im Museum, zu verstehen, dass Geschichte und Werte im Wesentlichen über Narrationen, über das Erzählen von Vergangenem, das nicht mehr ist, konstruiert werden: Absolut zentral war mit Abschluss der Unterrichtseinheit die Erkenntnis, dass nicht nur historische Darstellungen in Büchern und im Internet als geschichtliche Dokumente einzuordnen sind, sondern dass auch das Museum selbst als Dokument, als Medium zu verstehen ist, welches Einstellungen, Mentalitäten und Geschichtsbilder geriert.
Im Museum in Abensberg angekommen, stellte sich der Kurator und Leiter des Museums, Dr. Tobias Hammerl, nach einer kurzen Besichtigung der stadtgeschichtlichen Abteilung den Fragen der Schülerinnen und Schüler zur Konzeption der Ausstellung.
Gemeinsam entwickelte sich im Gespräch die Ansicht, dass ein stadtgeschichtliches Museum einen Beitrag zu einer pluralistischen, toleranten und weltoffenen Gesellschaft leisten sollte, in dem sich Touristen, aber auch die Einwohner Abensbergs wiederfinden.
Im Anschluss an das Gespräch führte der Museumsleiter die „Museumsstürmer“ in das Depot, die „Schatzkammer“ des Museums im nahen Aventinum, wo Stücke lagern, die, in einem ersten Selektionsprozess ausgewählt und des Aufbewahrens für würdig befunden worden waren, es aber dann doch nicht in die Ausstellungsräume geschafft haben.
Schon war klar, dass die für die Öffentlichkeit zugängliche Ausstellung das Ergebnis eines langen Prozesses ist, der per se selektiv und subjektiv ist. Jedes Museum sammelt. Was es sammelt, legt es selbst fest – nur manchmal fixiert in einem Sammlungskonzept. Was es hingegen nicht sammelt, bleibt für immer außen vor und schafft es damit auch nie in die Ausstellung, soll das Depot nicht binnen eines Jahres explodieren. In seinem gesamten Aufgabenspektrum unterliegt das Museum damit subjektiven Schwerpunktsetzungen, die immer diskussionswürdig sind und diskutiert werden müssen: Welche Objekte sind der Ausstellung wert? Welche Kriterien wurden der Auswahl zugrunde gelegt? Welche Themen und Zeiträume werden angesprochen oder betont und welche ausgespart? Wer ist die Zielgruppe des Museums? Welche Bevölkerungsteile finden keine Berücksichtigung? Wie empfängt das Museum den Besucher? Bewaffnet mit diesem Fragenkatalog wechselte der Kurs nach einer kurzen Planungsphase der Intervention beschwingt und dynamisch in das Museum mit der klaren Maßgabe, kein Objekt dauerhaft zu verändern.
Die Aufgabe der vier Gruppen war, sich jeweils ein Objekt / einen Themenbereich / einen Ort auszuwählen und zu eruieren, welches Geschichtsbild, welche Werte dem Betrachter vermittelt werden. Gemeinsam sollte dann eine jede Gruppe mögliche Interventionen überdenken und diskutieren. Der Eingriff in das Museum musste dabei verständlich auf Plakaten begründet und durch umsetzbare Veränderungsvorschläge ergänzt werden. Destruktive Kritik musste außen vor bleiben. Die Intervention sollte für das Museum und die Schülerinnen und Schüler konstruktiv erfolgen, für beide Seiten also einen deutlichen Gewinn bedeuten.
Nach getaner Arbeit wurden die Interventionen der jungen Museumsgänger vom Leiter aufmerksam zur Kenntnis und Veränderungsvorschläge ernst genommen. In einer intensiven, aber sehr freundschaftlichen Auseinandersetzung thematisierte man die Darstellung der Stadtgeschichte und der damit dem Besucher indirekt vermittelten Werte und Geschichtsbilder. Die städtebauliche Entwicklung Abenbergs, reduziert auf den Stadtkern, exkludierte Bevölkerungsgruppen, das Aussparen der Nachkriegszeit, die nur teilweise Umsetzung des Gedankens der Inklusion, das Bedürfnis der jungen museumsaffinen Besucher nach Identifikations- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die von den Schülerinnen und Schülern gewünschte mediale und interaktive Aufbereitung der Ausstellung waren Eckpunkte des Gesprächs zwischen Schülerinnen und Schülern und Museumsleiter auf der Metaebene.
Es herrschte Einigkeit, dass das Haus dem Anspruch, einen Beitrag zu einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft zu leisten, zwar gerecht wird, dennoch aber immer Luft nach oben ist. Trotzdem ist es hilfreich, wenn beide Seiten, Besucher und Museum, aufeinander zugehen und ins hilfreiche Gespräch kommen.
Der Aufenthalt im Museum war unvergleichlich spannend und hat sowohl dem Museumsleiter als auch den Besuchern völlig neue Einsichten ermöglicht. Ein Museumsbesuch, so war deutlich geworden, unterscheidet sich in der grundsätzlichen Herangehensweise nicht von einem kritischen Umgang mit der Wissensvermittlung im Allgemeinen sowie mit historischen Quellen im Speziellen. Der Q11 Kurs hat sich durch die Intervention eine neue Sichtweise eröffnet und sogar antrainiert, die sich spielend auf unterschiedliche Bereiche des Lebens übertragen lässt. So bleibt einmal wieder der Dank an Dr. Tobias Hammerl: für die gezeigte Offenheit und persönliche Stärke, eine Intervention im Stadtmuseum Abensberg zuzulassen, das ein wunderbares Haus ist, in dem es viel zu entdecken und zu begreifen gibt!
Michaela Mallmann und Dr. Tobias Hammerl