„Wer ein einziges Leben rettet, der rettet die ganze Welt“ – Kinovorführung Schindlers Liste
Es ist ein grauer Tag, dieser erste Februar 2024. Kühl und nass scheint er im Regengrau zu verschwimmen. Eine lange Reihe aus Schülerinnen und Schülern, begleitet von Politik- und Geschichtslehrkräften des Donau-Gymnasiums, macht sich auf den Weg zum Kelheimer Kino, die Köpfe unter Regenschirmen und Kapuzen versteckt. Es scheint, als wäre das Wetter eine Einstimmung auf das, was uns bei der Kinovorführung erwartet.
Schindlers Liste, ein dreistündiges Historiendrama, welches vom Leid der jüdischen Bevölkerung in Europa zeugt und dabei die wahre Geschichte des Geschäftsmanns Oskar Schindler erzählt, der durch die berühmte Liste seinen 1200 jüdischen Beschäftigten das Leben rettete. Noch vermag sich allerdings keiner, der den Film nicht bereits gesehen hat, die Gräueltaten der Kriegszeit vorzustellen, mit denen wir in den kommenden Stunden konfrontiert werden sollen.
Der Film beginnt mit einer Szene in Farbe, in der eine wohlhabende jüdische Familie feierlich den Schabbat einleitet. Kerzen werden angezündet, der Tisch fein gedeckt. Am Ende sieht man die Flamme erlöschen und das Bild wird schwarz-weiß.
Es folgt ein Einblick in Schindlers luxuriöses Leben . Die Kamera folgt dem Protagonisten, wie er sich schick kleidet und schließlich seine Parteinadel ansteckt. Oskar Schindler ist NSDAP- Mitglied und Frauenverführer, der seine Nächte in nobler Gesellschaft unter Nationalsozialisten in Tanzcafés verbringt. Dieser Eindruck steht in starkem Kontrast zu den kommenden Szenen, in denen am Krakauer Hauptbahnhof Juden ankommen, welche genauso grausam wie die Krakauer Juden ins Ghetto zwangsumgesiedelt werden. Man sieht, wie die jüdische Familie vom Anfang aus ihrer Wohnung gezerrt wird und sich ihrem neuen Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen fügen muss.
Zu dieser Zeit entscheidet sich Oskar Schindler, eine bankrotte Emaillewarenfabrik in Krakau zu kaufen. Sein Geschäftsführer wird der Jude Itzak Stern, zunächst skeptisch, dass ein Deutscher um eine Zusammenarbeit bittet. Schindler beauftragt ihn jedoch gegen einen attraktiven Lohn, das notwendige Eigenkapital zu beschaffen und jüdische Ghetto-Bewohner für seine Firma zu gewinnen. Diese Arbeitskräfte sind billig, und gleichzeitig profitierten auch sie von der Anstellung, die sie zunächst vor der Verfolgung durch die deutschen Besatzer schützt. Entscheidend ist die Bezeichnung der Fabrik als „kriegswichtig“, produziert sie doch Feldgeschirr für die Soldaten und Patronenhülsen. Zu Beginn ist Oskar Schindlers einziges Ziel noch, Profit zu erwirtschaften, weshalb er auch Beziehungen zum Schwarzmarkt aufbaut, um sich Luxusgüter und Material zu beschaffen.
Daraufhin zieht der SS-Untersturmführer Amon Göth in einer Villa oberhalb des neu entstehenden KZs Plaszow ein. In diesem sollen die zahlreichen Bewohner des Ghettos Krakau untergebracht werden. Göth überwacht den Bau des Lagers streng, wobei er auch willkürlich Personen erschießt, zum Beispiel morgens oberkörperfrei von seinem Balkon aus.
Am 13. März 1943 wird das Ghetto auf grausame Weise geräumt. Die SS stürmt Straßen und Wohnungen, beseitigt, wer ihr in die Quere kommt. Die Menschen versuchen in Massen zu fliehen, verstecken sich in Bodenluken, Kaminen, unter Treppenaufgängen und schnüren sich sogar mit Paketband von unten an Betten. Viele werden trotzdem entdeckt. Es sind Momente des Grauens; als Zuschauer wird man vom Donnern der Gewehre im Sekundentakt eiskalt überwältigt. Man sieht die Tötungen im Detail; die ängstlichen Gesichter Sekunden vor dem Schuss und das tintenschwarze Blut, dass aus den leblosen Körpern fließt. Erschießung um Erschießung, sodass man kaum mehr hinsehen kann. Bis in die Nacht hört man Schüsse, die sich im Dunkeln als helle weiße Blitze hinter den Fenstern abzeichnen.
Oskar Schindler verfolgt das Geschehen mit wachsendem Entsetzen von einem Hügel aus, wobei ihm ein kleines Mädchen im roten Mantel ins Auge sticht. Als einziger Farbklecks rennt es allein durch die aufgescheuchte Menge hindurch, findet einen Weg in eine Wohnung, wo es sich unter einem Bett versteckt. Was mit dem Mädchen passiert, bleibt zunächst offen. Das markante rot könnte man als Zeichen von Blut und Schmerz deuten, oder es drückt die Lebendigkeit des Kindes aus, stark im Kontrast zur Vernichtung ringsherum. Vielmehr repräsentiert das Mädchen jedoch das traurige Einzelschicksal, während es verzweifelt durch das Ghetto flieht.
Dies kann als Schlüsselereignis für Schindlers Wandlung weg vom profitgierigen Industriellen interpretiert werden, genau wie sein heimliches Gespräch mit Göths Hausmädchen, welches ihm von der Boshaftigkeit des SS-Untersturmführers und ihrer Todesangst erzählt. Oskar Schindler gelingt es, sich bei Amon Göth Ansehen zu verschaffen. Gleichzeitig muss er um Ruf und Existenz fürchten, da er Juden in seiner Fabrik beschäftigt. Nur durch Bestechung hochrangiger Nazis, darunter Göth, und sein Bestehen auf Kriegswichtigkeit kann er die Produktion aufrechterhalten. Insgeheim beginnt er jedoch, Göth zu verabscheuen.
Die Grausamkeiten der Shoah werden ihm erneut deutlich, als er bei der Verbrennung Tausender Juden die Leiche des kleinen Mädchens im roten Mantel entdeckt, hier wieder kurz farbig zu sehen.
Eine dramatische Wendung nimmt der Film, als Schindler durch Schmiergelder erreicht, seine Produktion auf Panzergranathülsen in Mähren umzustellen, um seine Arbeitskräfte vor der Deportation nach Auschwitz zu retten, wohin der Zug mit den weiblichen Beschäftigten aber fehlgeleitet wird. Im letzten Augenblick, erneut durch Korruption, erreicht Schindler mithilfe der Liste ihre Befreiung.
Schlussendlich versammeln sich nach Verkündung des Kriegsendes am 08. Mai 1945 jüdische Beschäftigte und deutsche Wehrmacht in der Fabrik, wo Schindler eine Ansprache hält. Er stellt den Wachsoldaten frei, die Juden feige zu erschießen oder als Männer heimzukehren, woraufhin diese das Gebäude verlassen. Es folgen drei Schweigeminuten für die Opfer der Shoah, und Oskar Schindler macht sich unter Tränen den Vorwurf, aus Egoismus nicht mehr Juden gerettet zu haben. Darauf entgegnet Itzak Stern: „Wer ein einziges Leben rettet, der rettet die ganze Welt“ und überreicht ihm stellvertretend für alle Arbeiter zum Dank einen selbst gefertigten Ring.
Der Film endet mit der Hinrichtung Göths. Danach werden Informationen zum weiteren Leben Oskar Schindlers eingeblendet, und man sieht in Farbe, wie die echten Schindlerjuden zum Zeitpunkt des Drehs zusammen mit ihren Darstellern nach jüdischer Tradition Steine auf sein Grab legen. Zuletzt legt Schindlers Darsteller Liam Neeson zwei Rosen nieder.
Nach der Kinovorstellung sind die Schülerinnen und Schüler zutiefst geschockt; da ist ein unbeschreibliches Gefühl der Schwere, das viele noch den ganzen Tag begleiten wird. Schindlers Liste hat als US-amerikanischer Film eine bedeutsame Tiefe und auf brutale Weise eine Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Juden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs angestoßen.
Nicht zuletzt haben filmische Mittel wie die bewegte Kameraführung dazu beigetragen, die Angst der Verfolgten und Todgeweihten gekonnt einzufangen. Genauso vermittelt das schwarz-weiße Bild Trostlosigkeit sowie Härte und bewirkt, dass sich der Zuschauer in die damalige Zeit zurückversetzt fühlt. Umgekehrt steht die farbige Darstellung einzelner Szenen für Lebendigkeit, so auch in jenen seltenen Momenten, wo jüdische Traditionen aufblühen. Ich finde es wichtig, zu erwähnen, dass der Film teils übertriebene Darstellungen verwendet, etwa die Erstellung der Liste von allen Juden aus dem Kopf. Auf der anderen Seite könnte man kritisieren, dass Schindlers Liste versucht, nicht Darstellbares darzustellen. Regisseur Spielberg meint dazu, er wolle nicht die einzig wahre Geschichte der Shoah erzählen, sondern nur anhand einer Geschichte versuchen, der Realität nahezukommen, wobei ihm dies wahrscheinlich nur zu einem Bruchteil gelungen ist. Denn niemand, der nicht selbst Zeuge der Judenvernichtung geworden ist, kann sich die damaligen Geschehnisse vorstellen. Auch das einigermaßen glückliche Ende ist selbstverständlich nicht als Regelfall zu bewerten.
Trotz aller Kritik bin ich der Meinung, dieses Kinoerlebnis hat prägende Eindrücke bei vielen Schülerinnen und Schülern hinterlassen, und das gerade, während Antisemitismus und Rechtsbewegungen wieder erschreckende Bedeutung gewinnen. 1993 veröffentlicht, ist Schindlers Liste auch heute ein Beispiel für die sachgemäße Auseinandersetzung mit der Shoah im Geschichts- oder Politikunterricht sowie zur Sensibilisierung für universelle Menschenwürde.
Das Artikelbild zeigt die Tafel am so genannten „Schindler-Haus“ in Regensburg, Watmarkt 5, Nähe Dom.
Weitere Informationen sowie detaillierte Kritik kann man dem Wikipedia-Eintrag zu Schindlers Liste entnehmen. Es gibt auch zahlreiche Online-Artikel über den Film und Reportagen, die sich mit ihm auseinandersetzen (z. B. von MrWissen2go)
Text: Helena Hower, 11c
Organisation und Foto: S. Urbansky